Rekordjagd der Giganten
Das Universum scheint nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zu bieten, immer wieder aufs Neue Rekorde zu brechen oder aufzustellen. Und während wir uns unserer Winzigkeit im großen Ganzen bewusst werden, wenn wir zu den Sternen blicken, stellen sich uns schon fast kindliche Fragen; auf "Was ist das schwerste Objekt im Universum?" könnten Astronomen nun eine (neue) Antwort gefunden haben.
Bei der Beantwortung dieser zunächst einfach wirkenden Frage ist es natürlich von großer Bedeutung, was man überhaupt unter einem Objekt versteht. So könnte beispielsweise die sogenannte Hercules–Corona Borealis Great Wall (Great GRB Wall) – ein unvorstellbar großes Filament, bestehend aus Galaxien-Superhaufen, mit einer Länge von ca. zehn Milliarden Lichtjahren – die größte und massereichste Struktur im beobachtbaren Universum sein. Doch unsere Frage drehte sich um das größte Objekt und das ist die Great GRB Wall laut Definition nicht, da nicht klar begrenzt ist, wo sie beginnt oder endet. Vielmehr verstehen Astronomen unter einem Objekt etwas, das durch seine Eigengravitation zusammengehalten wird, wie z.B. ein Planet oder ein Stern. Ausgehend von dieser Definition verringert sich die Zahl an "größten Objekten" bereits.
Beginnend vor unserer kosmischen Haustür nimmt Gasriese Jupiter mit 1,9 Quadrilliarden Kilogramm (also 1,9, gefolgt von 27 Nullen, Kilogramm) die Spitzenposition der Planeten in unserem Sonnensystem ein. Verglichen mit dem bis heute massivsten Exoplaneten, HR2562 b, der im Jahr 2016 entdeckt wurde, ist Jupiter allerdings ein Winzling. Mit seiner Masse von 30 Jupitermassen gilt HR2562 b noch immer als massereichster Planet und kratzt bereits am Übergang zu einem Braunen Zwergstern.
Sterne selbst können hingegen noch viel größer werden. Mit 265–315 Massen unserer Sonne (oder etwa zwei Quintillionen Kilogramm, eine Zwei mit 30 Nullen) gilt R136a1 als bislang größter Stern. In etwa 130.000 Lichtjahren Entfernung liegt R136a1 in der Großen Magellanschen Wolke und verliert aufgrund seiner enormen Strahlung jährlich etwa 16 Erdmassen seines Materials.
Doch im Rennen um das größte Objekt wird selbst R136a1 von den neusten ALMA (Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array)-Beobachtungen in den Schatten gestellt: SPT2349 – ein galaktischer Protocluster – wurde kürzlich entdeckt und gilt seither als "Jackpot" unter den Rekordhaltern im Universum. Bei SPT2349 handelt es sich um einen Galaxiencluster, der insgesamt über 14 massive Galaxien enthält, die auf einem Raumgebiet, nur etwa dreimal größer als unsere Milchstraße, zusammengeballt sind. Mit weiteren 50 Galaxien, die sich im Laufe der nächsten Jahrmillionen zum Cluster dazugesellen werden, läuft SPT2349 dem ehemaligen Rekordhalter namens El Gordo Cluster den Rang um das Vier- bis Fünffache ab.
Und auch das Alter des Clusters ist rekordverdächtig: In einer Entfernung von 90% der Strecke des beobachtbaren Universums gelegen, formte sich der Cluster, als das Universum gerade erst 1,4 Milliarden Jahre alt war und widerspricht damit vielen Computersimulationen! Diese legten bislang nahe, dass solche großen Objekte deutlich länger benötigen, um sich zu bilden. Demnach muss die Zentralgalaxie des Clusters extrem früh und nahezu explosionsartig entstanden sein.
Mit sich stets weiterentwickelnder Technik ist zu erwarten, dass sich auch für SPT2349 in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten ein Rekordnachfolger findet; bis dahin nutzen Astronomen die neu entstandenen Fragen nach seiner Entstehung, um noch mehr über die Prozesse im frühen Universum zu erfahren.
Credit: ESO/ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/Miller et al.